lichen Glasmalereien einstiegen. Dem Kölner Wein- und Tabakhändler Johann Heinrich Pleunissen (1731–1810) gelang der Aufbau einer der qualitätreichsten Sammlungen mittelalterlicher Glasmalereien, die je von einer Privatperson zusammengetragen wurde. Darunter befanden sich auch 64 Glasgemälde aus dem Zisterzienserkloster Altenberg, da Pleunissen das Abteianwesen 1806 zur Begleichung ausstehender Weinrechnungen der Abteien Heisterbach und Siegburg erhalten hatte. Von der Kreuzgangsverglasung aus Kloster Altenberg sind heute noch 44 Glasmalereien überliefert, 19 davon im Museum Schnütgen.12 Neben dem Sammeln fand man in Köln auch vermehrt Gefallen daran, originale mittelalterliche Glasmalereien in neugotische Bauten als Schmuck und als emotionalen Zugang zur mittelalterliche Epoche zu integrieren. So ließ der Kaufmann und Sammler Jakob Johann Nepomuk Lyversberg (1761–1834) ein zweibahniges Maßwerkfenster mit Darstellungen der Kreuztragung und Kreuzigung in die an sein Haus am das Tageslicht in seiner Helligkeit und in den Farbwerten transformiert in das Innere der Gebäude fallen. Ihr transluzider Charakter und ihre Farbqualitäten ließen die Glasmalerei zu einem idealen visuellen Bildmedium werden, um auf oft großen Flächen sowohl biblische Erzählungen in vielteiligen Szenenfolgen (z.B. Kat. 4, 5) als auch eindrucksvolle, monumentale Einzelfiguren wie z.B. Heilige, Propheten und Apostel (Kat. 1) darzustellen. Fest in die rahmende Architektur eingebaut, blieben die meisten mittelalterlichen Glasgemälde oft über Jahrhunderte an ihrem ursprünglichen Bestimmungsort. Hatten Beschädigungen durch Stürme, Brände oder als Folge kriegerischer Auseinandersetzungen immer wieder zum Verlust älterer und zum Einbau neuerer Fenster geführt, so kam es erstmals im Zuge barocker Kirchenraumerneuerungen zum systematischen Entfernen mittelalterlicher Scheiben, um diese durch helltonige Fensterverschlüsse zu ersetzen, die mehr Licht in die Innenräume ließen und als der barocken Architektur adäquat empfunden wurden.6 Nur wenige der damals ausgetauschten Scheiben fanden ihren Weg in private Sammlungen. Ihr Materialwert wurde im Gegensatz zu anderen mittelalterlichen Kunstwerken als gering erachtet. Sie waren schwer zu lagern, nicht leicht wiederzuverwenden und ohne größeren Aufwand kaum zu präsentieren. Die Herauslösung aus dem architektonischen Kontext bedeutete somit in der Regel ihren Untergang.7 Das Interesse, mittelalterliche Glasmalerei systematisch zu sammeln, entwickelte sich erst im 18. Jahrhundert, insbesondere bei englischen Antiquaren und Adeligen. Letztere verfolgten das Ziel, ihre repräsentativen, in neugotischem Stil errichteten Anwesen und insbesondere Privatkapellen angemessen mit mittelalterlichen Glasfenstern zu dekorieren.8 Vollständige Glasfenster waren begehrt und über lange Zeit nur schwer zu erstehen. Dies änderte sich erst an der Wende zum 19. Jahrhundert, und zwar mit der Säkularisation. Diese folgenschwere Auswirkung der Französischen Revolution (1789–1799) führte zu weitreichenden politischen, sozialen und kulturellen Umwälzungen in ganz Europa, insbesondere in Köln und dem Rheinland.9 Nach dem Einmarsch der französischen Truppen im Oktober 1794 wurden in Köln rund 120 Kirchen und Klöster säkularisiert und die Kirchenausstattungen, darunter auch unzählige kostbare Glasmalereien, entfernt. Mittelalterliche Glasmalereien, die dabei nicht zerstört wurden, standen erstmals in großer Zahl als Handelsware und als Sammlungsgut zur Verfügung. Spätestens mit Erlass des Säkularisationsdekrets am 30. Juni 1802 war die Geburtsstunde eines bis dahin kaum gekannten Sammelgebiets, der Glasmalerei, gekommen.10 Die historischen Rahmenbedingungen waren insgesamt günstig. Hatte es im 17. und 18. Jahrhundert in Köln eine Anzahl privater Gelegenheitssammlungen gegeben, die oft nur wenige Jahre existierten und meist durch Versteigerungen wieder aufgelöst wurden, begannen zu Beginn des 19. Jahrhunderts viele kunst- und kulturbegeisterte Angehörige des Kölner Großbürgertums systematisch selbständig zu sammeln und ihre Kunstwerke in ihren Privathäusern darzubieten.11 Die Säkularisation stellte gewissermaßen einen unerwarteten Glücksfall für diese neue Generation von Kunstsammlern dar. Es waren vor allem die Kölner Wein-, Tuch- und Tabakhändler – neben den Bankiers die finanzstärkste Schicht des Großbürgertums in der Stadt – die in den Kauf und Verkauf von mittelalter6 Vgl. Schumacher 1998, 111. 7 Gast 2019, 405. 8 Dazu u.a. Schuhmacher 1998, 111–112; Williamson 2003, 10. – Zu den frühen Sammlungen des 18. Jahrhunderts, die zuerst in England und ab ca. 1780 auch in Deutschland und Frankreich fassbar werden, vgl. Gast 2019, hier bes. 405–407. 9 Zu Vorgeschichte, Durchführung und Folgen der Säkularisation in Köln vgl. Diederich 1995. 10 Wolff-Wintrich 1995, 341. 11 Hierzu und im Folgenden vgl. Kronenberg 1995, bes. 123–125, 132–133; Berghausen 1995, 149–151. 12 Köln, Museum Schnütgen, Inv. M 559–M 570, M 709– M 714. Johann Heinrich Pleunissen vererbte seine Sammlung an seine Tochter Maria Franziska Hirn, 1824 wurde die Sammlung von seinem Enkel Heinrich Schieffer verkauft. – Von den heute 19 im Museum Schnütgen verwahrten Scheiben wurden 13 im Zuge der Neuordnung der Kölner Museen aus dem Kunstgewerbemuseum an das Museum Schnütgen übertragen, mit dem Vermächtnis von Irene Ludwig kamen 2011 sechs weitere hinzu, vgl. Lymant 1982, 192–193, Nr. 119; Wolff-Wintrich 1995, 345; Kat. Rheinische Glasmalerei 2007, Bd. 2, 30–31, Nr. 5 (Dagmar Täube); Woelk/ Beer 2018, 338–339, Nr. 227 (Iris Metje). Abb. 2 Marientod, Köln, um 1250–1260 24 25
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