Prophet Ezechiel und Apostel Paulus Soissons, Kathedrale Saint Gervais et Saint Protais Frankreich, 1. Viertel 13. Jh. Glasmalerei 75,1 x 88,4 cm; 80,4 x 97 cm Kyjiw, Khanenko Museum, Inv. 135 БР МХ, 136 БP МХ 1 Die ältesten Scheiben der Sammlung Khanenko zeigen charaktervolle Brustbilder, die einst zu überlebensgroßen Figuren aus Kirchenfenstern des frühen 13. Jahrhunderts gehörten. Ihr heutiges Erscheinungsbild ist ein typisches Beispiel sogenannter Kompositscheiben, die im Zeitalter des Historismus im 19. Jahrhundert aus fragmentierten oder beschädigten Originalen für den Kunsthandel zusammengesetzt wurden. Beide auf diese Art ergänzten Glasgemälde stammen mutmaßlich aus dem zwischen 1212 und 1220 errichteten Chorobergaden der Kathedrale von Soissons, dessen etwa neun Meter hohe Fenster unter anderem mit übereinander angeordneten Propheten- und Apostelfiguren besetzt gewesen waren. Die an der Stirnlocke leicht erkennbare Gestalt des Apostels Paulus enthält im Binnenbild noch überwiegend alte Glassubstanz, darunter einen markanten Rahmen aus zeittypischem „geflammtem“ rotem Glas. Dagegen zeigt der Hintergrund der Prophetenfigur ein Pasticcio aus authentischen, jedoch kaum zusammenhängenden Fragmenten. Darunter finden sich Teile von Architekturen, Gewändern oder Haaren, heraldischen Motiven (etwa das Wappen von Kastilien in Form einer Burg) sowie Bruchstücke von mindestens drei Inschriften. Die gut lesbare Inschrift im Rücken des Propheten – EZEC(I)EL – erlaubt die ikonographische Bestimmung dieser Figur, die ebenso wie die des Apostel Paulus mit einem Heiligenschein versehen ist. Das zweite durch Flickstücke verunklärte Fragment des Spruchbandes SPECIES ELECTR(I) weist auf die Prophezeiung Ezechiels zur göttlichen Erscheinung hin: „Und aus seiner Mitte, mitten aus dem Feuer, da strahlte es wie glänzendes Metall“ (Ez1,4). Im Zuge der Restaurierung 1875–1891 wurden aus der Kathedrale von Soissons mehrere kostbare Originale entfernt. Wenige Jahre später tauchten einige davon im Pariser Kunsthandel auf, wo sie wahrscheinlich von dem kunstbegeisterten Ehepaar Khanenko erworben wurden. Neben dem Khanenko-Museum in Kyjiw befinden sich Teile dieser hochkarätigen Verglasung auch im Louvre in Paris, im Cloisters in New York, in der Walters Art Gallery in Baltimore, im Stained Glass Museum in Ely und in weiteren öffentlichen und privaten Sammlungen weltweit. Макаренко 1924, 85, 90. – Grodecki 1953. – Grodecki 1960. – Muratova 1970. – Grodecki/Perrot/Taralon 1978, 169–172. – Caviness/Pastan/Beaven 1984, 10. – Caviness 1990, 59–62. – Рославець 2005. Elena Kosina 36
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