Kabinettscheibe mit Johannes dem Täufer Mittel- oder Oberrhein, Meister um das Mittelalterliche Hausbuch, um 1480–1485 Glasmalerei D. 18 cm Vom Kölner Kunstgewerbemuseum 1930–1932 übernommen Köln, Museum Schnütgen, Inv. M 550 9 Die Rundscheibe zeigt Johannes den Täufer, den Wegbereiter Jesu, in einer symbolisch aufgeladenen Landschaft. Er weist auf das Lamm Gottes mit Kreuznimbus und Siegesfahne, das auf der Heiligen Schrift als Symbol Christi. Bekleidet ist der Heilige mit einem Umhang, unter dem in Silbergelb das Fellgewand hervortritt, das ihn als Büßer kennzeichnet. Er steht in einer felsigen Landschaft, in der aus einer Quelle ein Bach entspringt. Zusammen mit der trinkenden Hirschkuh wird die Taufsymbolik aufgegriffen und auf das Wasser des Lebens verwiesen. Blumen und Tiere wie die Schnecke, die im Frühling zu neuem Leben erwacht, stehen für die Auferstehung Christi und die Erlösung der Menschheit. Die Farbigkeit der Rundscheibe ist auf unterschiedliche Grautöne reduziert; Silbergelb wird zur Akzentuierung eingesetzt. Filigranes Rankenwerk, das der Glasmaler mit einer Radiernadel aus dem Braunlotüberzug ritzte, durchbricht den dunklen Hintergrund. Diese technische Besonderheit des Radierens auf Glas, die an die Arbeit eines Zeichners oder Stechers erinnert, führte zu der Annahme, dass die Kabinettscheibe als eigenhändige Arbeit des Hausbuchmeisters oder seiner Werkstatt anzusehen ist. Tätig am Mittel- oder Oberrhein wurde dieser Meister nach dem sogenannten Mittelalterlichen Hausbuch (Privatbesitz), einer um 1475–1485 entstandenen Handschrift, benannt. Neben Glasmalereien werden ihm und seiner Werkstatt Tafelbilder, Holzschnitte und Kaltnadelradierungen zugeschrieben. Seine Entwürfe dienten jedoch als Vorlagen für eine Vielzahl von Kabinettscheiben. Da auch die Glasmaler Radierwerkzeuge zur Gestaltung nutzten, kann die Johannesscheibe ebenso von einem unbekannten Vertreter dieser Zunft nach einer Vorlage des Hausbuchmeisters ausgeführt worden sein. Die großzügige Verwendung und Kombination unterschiedlicher Vorlagen zeigen sich bei dieser Glasmalerei anschaulich. So geht die Figur des Johannes auf einen Stich Martin Schongauers, die Gestaltung des Kopfes auf einen Stich des Meisters E. S. zurück. Anhand der Vorlagen und der stilistischen Besonderheiten wird die Glasmalerei um 1480–1485 datiert. Eine in Stil und Technik verwandte Rundscheibe gleicher Größe mit der Darstellung des hl. Petrus befindet sich im Victoria & Albert Museum, London (Inv. C.1379-1924). Von Falke/Creutz 1910, 62. – Schmitz 1913, 107. – Behling 1959. – Schnitzler 1968, 91, Nr. 156. – Becksmann 1968, 360–361, Abb. 9. – Lymant 1982, 140–142, Nr. 80. – Husband 1985, 139, 149f. – Hess 1994, 52–57, Abb. 50. – Täube 1998, 46–47, Nr 16. – Williamson 2003, 142. – Kat. Grünewald 2007, 197–199, Nr. 42 (Ariane Mensger). – Woelk/Beer 2018, 306, Nr. 202 (Karen Straub). Carola Hagnau 62
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