Die Propheten Amos und Zacharias Köln, um 1510 Glasmalerei 60 x 59,3 cm Leihgabe der Peter und Irene Ludwig Stiftung 13 Die Glasmalerei zeigt die Propheten Amos und Zacharias einander im Gespräch zugewandt. Als Propheten können sie lediglich durch die Spruchbänder, die jeweils auf Passagen ihrer Schriften Bezug nehmen, identifiziert werden. Sinngemäß heißt es dort „Sie hassen den, der im Tor Recht spricht“ (Odio habuerunt in porta corripientem; Am 5, 10) und „Es wird keinen Händler mehr geben im Hause des Herrn“ (Non erat ultra mercator in domo domini; Sach 14, 21). Diese Sprüche finden sich aufeinander bezogen in der sogenannten Biblia pauperum (Armenbibel), einer im Spätmittelalter populären Schrift, die alttestamentarische Geschehnisse Szenen des neuen Testaments zuordnet. Diese typologische Gegenüberstellung von Vorausdeutung und Erfüllung wurde bildlich dargestellt und durch Sprüche der Propheten kommentiert. Die Propheten Amos und Zacharias beziehen sich mit ihren Sprüchen auf die Episode, in der Christus Händler und Geldeintreiber aus dem Jerusalemer Tempel vertrieb. Dieser Szene konnten wiederum Szenen aus dem Alten Testament zugeordnet werden, wie der Wiederaufbau des Jerusalemer Tempels durch Darius oder Kyrus sowie die Tempelreinigung durch Judas Makkabäus, der den heidnischen Altar zerstören und den Tempel neu weihen ließ. Die Einzelscheibe könnte daher ursprünglich zu einem typologischen Bildzyklus eines Kreuzgangs gehört haben und dort der Tempelreinigung Christi sowie mindestens einer weiteren alttestamentarischen Darstellung zugeordnet gewesen sein. Der verzierte, angedeutete Spitzbogen im unteren Teil des Bildes könnte darauf hindeuten, dass die Glasmalerei als Bekrönung einer solchen Szene diente. Die ungewöhnliche Darstellungsweise der Propheten führte im Auktionskatalog 1887 dazu, die beiden als diskutierende Mönche zu deuten. Die Haltung der Propheten, der Faltenwurf der Gewänder und die sich breit wellenden Schriftbänder lassen die Szene sehr dynamisch wirken. Dieser Eindruck wird durch das unruhige Bleinetz, insbesondere in der linken oberen Bildhälfte verstärkt. Die beiden in den Gesichtszügen und der Haartracht individuell gestalteten Figuren unterscheiden sich auch in der Ausführung und Farbigkeit ihrer Gewänder. Der Gewandteil am rechten unteren Rand scheint eine Ergänzung aus späterer Zeit zu sein. Die stilistischen Bezüge besonders in der Gestaltung der Gesichter und Gewänder zu den Glasmalereien aus dem Zisterzienserkloster in Altenberg aus dem ersten Drittel des 16. Jahrhunderts legen eine Entstehung der Scheibe in Köln in diesem Zeitraum nahe. Kat. Geisenheim 1887, 10, Nr. 114. – Freundliche Hinweise zu Datierung, Lokalisierung und Deutung der Inschrift werden Hartmut Scholz (Freiburg) und Hiram Kümper (Mannheim) verdankt. Jule Wölk/Carola Hagnau 74
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