Pfingstwunder Südliche Niederlande/Flandern, 1540 Glasmalerei je Scheibe ca. 67 x 41,5 cm Kyjiw, Khanenko Museum, Inv. 301 БР МХ 19 Das monumentale, aus 12 Einzelfeldern bestehende Glasgemälde zeigt eine Darstellung der Ausgießung des Heiligen Geistes auf die Apostel und die Muttergottes Maria (Apg 2, 1-4). Unterhalb dieser Szene sieht man noch Teile einer vormals größeren heraldischen Komposition: eine Herzogskrone unter einem Baldachin, flankiert von Spruchbändern mit der persönlichen Devise der Stifterin OV QUE SOYE, NE LOVBLIRAY („Wie dem auch sei, (er) wird nicht vergessen“) und der Jahreszahl 154(0). Das Glasgemälde stammt aus der Wallfahrtskirche St. Etienne im belgischen ‚s Herenelderen (Provinz Limburg), die von der Adelsfamilie van Elderen in der Nähe ihrer Burg gegründet wurde. Die aufwendige Chorverglasung dieser Kirche stiftete in den Jahren 1539/40 die damalige Landesherrin Maria-Magdalena van Hamal zum Gedenken an ihren 1521 verstorbenen Gatten Guillaume de Croy, Herzog von Aarschot, Statthalter der burgundischen Niederlande und einer der einflussreichsten europäischen Politiker seiner Zeit. Das von der trauernden Witwe in Auftrag gegebene Fensterprogramm bestand aus fünf monumentalen Darstellungen des Marienlebens: Verkündigung an Maria, Anbetung der Hirten, Anbetung der Könige, Ausgießung des Heiligen Geistes (das gegenwärtige Pfingstbild) und Himmelfahrt Marias. Die unteren Zeilen der Chorfenster waren wie üblich mit Darstellungen des Stifterpaares, Namenspatronen und Familienwappen geschmückt. Mit Ausnahme eines Fensters, das die Anbetung der Hirten darstellt, wurden alle alten Glasmalereien aus der Kirche St. Etienne entfernt und 1859–1861 von dem Mechelner Glaser Jean-François Pluys durch getreue Kopien ersetzt. Auf der heute noch vorhandenen Kopie des Pfingstbildes im belgischen 's Herenelderen sieht man, dass die beschnittene heraldische Zeile des Kyjiwer Glasgemäldes ursprünglich ein großes Monogramm des Ehepaares (GM: Guillaume und Maria-Magdalena) zeigte, flankiert von den Wappen der Familien de Croy und van Hamal mit der zweifach wiederholten Inschrift „NE LOVBLIRAY“ („Wird nicht vergessen“) auf den Bannern. Das Ehepaar Khanenko ersteigerte diesen vorzüglich erhaltenen Glasmalereikomplex nachweislich bei einer Auktion in Paris im Jahr 1897. Ein weiteres originales Glasfenster von St. Etienne zu ‚s Herenelderen ‒ die Himmelfahrt Mariens ‒ wurde von der Tochter des berühmten Barons de Rothschild, Béatrice Ephrussi, erworben und befindet sich in der Sammlung der Villa Ephrussi de Rothschild auf der Halbinsel Saint-Jean-Cap-Ferrat. Mannheim 1897, 19, Nr. 76. ‒ Лукомський 1921, 53. ‒ Helbig/Vanden Bemden 1974, 261–274. ‒ Hérold 2020, 341–342. Elena Kosina 88
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